Samstag, 6. Juni 2020

Es geht weiter

Gut ausgeruht und frisch gesattelt geht's heut gegen 10 Uhr los. Ja, ich hab mir vom Radprofi Rolf einen Sattel empfehlen lassen. Oh je, sind die ersten Tritte im kleinen Gang zäh! Wie wenn ich gegen ein Gummiband ziehen müßte! Will ich hier nicht weg? Oder bin ich vom E-Bike so verwöhnt? Da bekommt man beim Antritt schon einen Schubser, bei meinem Rad eher einen Bremser....
Der Radweg entlang der Neiße ist malerisch. Wilde urtümliche Landschaft, guter Asphalt. Am jeder Brücke über den Fluß nach Polen hängen bunte Flatterbänder - Coronasperre. Es hat nur 17 Grad und einen kühlen Wind, der mir leider häufig entgegen kommt. Gelegentlich fröstelt es mich. Nach einer Deichauffahrt springt mir die Kette herunter. Nichts Schlimmes. Nur Sitz genau da ein älterer Herr auf der Bank und macht ein Päuschen. Er ist von der Ostsee und fährt diesmal den Neiße-Radweg. Er hat ein ziemlich klappriges Fahrrad, einfache Satteltaschen und eine normalen Reisekoffer auf dem Gepäckträger. Er reist öfter so, seine Frau hat dazu keine Lust.

Mein neuer Sattel ist ziemlich gewöhnungsbedürftig. Nach und nach komme langsam wieder in meinen Rythmus und mein Hinterteil findet den richtigen Platz. Ich muss und kann auf diesem Sattel nicht mehr herumrutschen; wenn der Weg schlecht wird und das Hinterrad Schläge hochschickt, fühlt sich das heute lange nicht mehr so schlimm an.
Gelegentlich gibt es heute mal ne Steigung, das gibt wieder Kondition. Aber absteigen tu ich nur einmal an einer Brücke über die Bundesstraße.

In Bad Muskau führt der Radweg direkt durch den riesigen Fürst Pückler Park und am Schloss vorbei. In Kromlau im Rhododendronpark möchte ich mir gerne die eindrucksvolle Rakotzbrücke aus Natursteinen anschauen, von der ich ein tolles Bild gesehen habe. Große Enttäuschung: das Wasser ist abgelassen und die Brücke so dick eingerüstet, dass man sie gar nicht sehen kann - schade.

Am späten Nachmittag endlich wird es etwas wärmer, bei 24 Grad duftet der Kiefernwald herrlich intensiv. Ein anderer Abschnitt sieht aus wie gekiest, ist aber von abgefallenen weißen Blütenblättern übersäter Asphalt. Um halb vier lege ich unter einer Eisenbahnbrücke an der Spree eine kleine Pause ein. Dabei schlafe ich fast ein - das geht ja gar nicht!

Vor Hoyerswerda ist ein großer See auf der Karte vermerkt, da würde ich gerne ein Plätzchen suchen, andererseits würde ich den Ort gerne noch hinter mir lassen. Vom See ist nichts zu sehen außer jeder Menge Sperrschildern, so ist es kein Thema, dass ich Hoyerswerda passiere.

Das war heut eine Marathontour (für mich): 87 km! Ich möchte morgen Abend in Dresden sein, da hab ich eine Zeltplatz reserviert. Deshalb habe ich heute etwas vorgearbeitet - morgen liegen "nur" 60 km vor mir, dafür aber mit Bergen.
Mein Kuckuck fehlt mir, der hat mich wahrscheinlich im Forster Keller aus den Augen verloren.








Die Strecke

Freitag, 5. Juni 2020

Einmal Cottbus und zurück

...war Rolfs Idee für den heutigen Tag. Wie? Natürlich mit dem Rad! Bei Rad Rolf kommt ja nichts anderes in die Tüte! Einfache Strecke ca. 30 km, d.h. normalerweise eine ganze Tagestour für mich. Mein Hinterteil erinnert sich noch gut an die Streckenqualität...mir graut. Aber Rolf hat Spaß daran, also auf nach Cottbus. Freie Auswahl des Fahrrads, davon stehen hier ja Dutzende rum.  Wir nehmen die edelsten und komfortabelsten, ich darf Kathrins E-Bike nehmen. 30 km/h Höchstgeschwindigkeit, 200 km Reichweite, extra breite Reifen und edelste Nabenschaltung! Also, das ist schon eine feine Sache! Nicht ganz 2 Stunden brauchen wir pro Strecke, das Treten ist fast ohne Kraftaufwand sehr gemütlich und von den Huppeln und Löchern in der Straße spüre ich so gut wie nichts. Auf dem Heimweg bin ich noch fauler und schalte von "Eco" in den Alt-Damen-Modus "Tour". Auch damit ist noch jede Menge Restkapazität vorhanden als wir wieder daheim sind. Es gäbe sogar noch einen Turbo-Modus!
In Cottbus bekomme ich von Rolf wieder eine Park-Führung, diesmal Fürst Pückler. Lausitzer Mittagessen inklusive. Dann noch einen warmen Kakao auf dem Marktplatz, wo ich vor 2 Tagen schon mal saß. Auf dem Heimweg nochmal ein Abstecher zum Klinger See, natürlich auch mit Geschichten und Erklärungen.
An so ein Fahrrad könnte man sich gewöhnen, das hatte ich ja befürchtet. Entspannt und höchstens ein wenig ausgekühlt (heute ist es ziemlich kühl und wolkig) kommen wir wieder in Forst an. Das war ein kurzeiliger und angenehmer Tag - danke Rolf!

Meine Gastgeber sind heute Abend zum Grillen eingeladen und ich entspanne in meinem riesigen Gästezimmer.
Morgen geht's weiter.




Donnerstag, 4. Juni 2020

Pause


Bei Rolf und Kathrin bin ich eingeladen, gerne auch noch etwas länger. Mein Hinterteil freut sich sicher darüber. Nach einem späten Frühstück mit einigen Geschichten darf ich Kathrins E-Bike ausprobieren. Kathrin muss Oma-Pflichten erfüllen, während Rolf mir seine Fahrradsammlungen zeigt. Zu jedem einzelnen Rad hat er eine Geschichte und man spürt sein Herzblut in jedem Detail. In seinem ehemaligen Fahrradladen (Rad Rolf) suche ich mir auf seine Empfehlung einen sehr guten Sattel aus, den ich mit Kathrins Rad probefahren.
Und dann wird das große Versprechen erfüllt: Rolf fährt mich mit der Rosenköniginnen-Rikscha durch den berühmten Rosengarten! An jeder Ecke hat er mindestens eine Geschichte parat. Ein Sehr über die Neiße erlaubt uns, den Fuß auf polnischen Boden zu setzen. Auf dem Deich drüben wacht eine Polizeipatrouille.
Die nächste Runde geht durch den Kunstpark, wo internationale Künstler aus Baumstämmen sehr interessante Werke erstellt haben.
Endlich kommen wir dann in den "eigentlichen" Rosengarten. Zu jedem Gartenteil, zu jedem Beet, zu jedem Brunner, ja sogar zu vielen einzelnen Rosen erzählt Rolf Geschichten! Was der alles weiß!! Die beiden Highlights sind die schwarze und die unscheinbare grüne Rose. Beide sind äußerst rar. Schade, dass sie noch nicht blühen, es ist noch etwas zu früh.
Jeder kennt hier Rolf, grüßt ihn oder wechselt ein paar Worte. Er ist sowas wie Lokalprominenz. Und wen er schon alles gefahren hat! Geschichten über Geschichten!
Am Abend gehen wir noch gemeinsam in die Stammkneipe auf ein "Forschter Schnitzel", was vor 6 Wochen erfunden wurde. Ein rundum schöner Tag!

PS: auf meinem Tacho stehen schon 1000 km!



Mittwoch, 3. Juni 2020

Die Luft ist raus

...und aus den Wiesen steiget der weisse Nebel wunderbar...
Ich bleibe aber liegen bis er sich verzogen hat und das Zelt getrocknet ist. So ist es dann auch schon nach 9 Uhr bis ich loskomme. Die Sonne strahlt schon mit Kraft. Auf guten Wegen rollt es leicht und ich kann Kilometer machen. Aber, zu früh gefreut! Nach und nach sinkt die Qualität: Wurzelaufbrüche, Schotter, Löcher oder Betonplatten. Auf diesen 30 cm breiten Betonplatten rattert es beim fahren wie bei einem alten Bummelzug: ratatatat. Und jeder Stoß geht ins Gesäß. Ich habe immer eine Wahl - Betonplatten oder loser tiefer Schotter? Diesmal entscheide ich mich für den Schotter.
Das Ehepaar, das ich vorhin so flott überholt habe, zieht jetzt mit einer unfassbaren Entspanntheit an mir vorbei. Wahrscheinlich sind sie mit ihren alten Rädern und breiten Reifen, Modell "Abrahams Schoß", für diese groben Wege einfach besser gerüstet als ich, mit den hart aufgepumpten Schmalspurreifen.
In Burg ist wieder eine Touristenhochburg mit Kahnfahrt, Boots- und Fahrradverleih. Und mit Futterstelle. Aber sowas wie Rührei mit Speck, worauf ich jetzt total Lust habe, gibt's hier nicht. Bleiben mir nur 3 kleine Tomätchen und eine Banane. Auf, weiter nach Cottbus. Es gibt 2 Radwege dorthin, ich lose und nehme den gut asphaltierten Weg neben der Hauptstraße, allerdings durch einen kleinen Waldstreifen getrennt. Es zieht sich hin bis Cottbus.
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Das Mittagessen (Spaghetti statt Rührei) in Cottbus hat nicht wirklich viel gebracht. Ich bin müde, die Beine sind schlapp und ich rutsche nur noch auf dem Sattel hin und her, find aber keine erträgliche Position. Selbst dass die Radwege jetzt überwiegend sehr gut zu fahren sind, hilft dagegen nicht. Die Luft ist einfach raus! (nicht aus den Reifen, sondern aus mir) Irgendwie hab ich das Gefühl, dass die Entfernung überhaupt nicht schrumpft. Forst kommt und kommt nicht näher, mein Tempo wird langsamer und langsamer.
Der Kiefernwald ist total umgebrochen, vermutlich gibt es hier sehr viele Wildschweine. Und ein Tandempäärchen. Sie scheinen den gleichen Weg zu haben. Während ich mich auf dem Waldweg dahinquäle, zischen sie schnell vorbei - sie haben ja auch doppelt soviel MS (Menschenstärken) an Bord. Am nächsten Übergang einer Schnellstraße stehen sie etwas erschöpft herum. "Alles in Ordnung?" Eigentlich schon, aber aus Vorsichtsgründen steht am Radwegende so eine Labyrinthschranke...und da passt das Tandem nicht durch - sie mussten es drüber heben. Das hat sicher Kraft gekostet! Das nächste Mal fahre ich vorbei, als sie die Karte studieren. Nicht lange, dann haben sie die Nase wieder vorn, bis zur nächsten Abzweigung, die sie verpassen. Aufgrund ihrer Gestik bemerke ich es rechtzeitig und bekomme grade noch die Kurve. Zum letzten Mal treffen wir uns dann an einer wassergefüllten Bergbaugrube. Die ist wirklich beeindruckend! Das Gelände darf man aber wegen Lebensgefahr nicht betreten.

Kurz nach 16 Uhr bin ich dann doch endlich in Forst in der richtigen Straße. Während ich nach der Hausnummer suche ruft's hinter der Hecke schon "hierher!" Rolf hat auf der Lauer gesessen. Ein Glas kalter Sprudel, ein Dusch und die Waschmaschine läuft, jetzt bin ich wieder ein Mensch...
Es wird ein langer Abend mit Wildschweinwurst und tiefsinnigen Gesprächen.

Morgen 1 Tag Pause?







Die Strecke

Dienstag, 2. Juni 2020

Spreewald


Es hat mich niemand verscheucht. Damit das auch so bleibt packe ich gleich alles zusammen, als ich zum ersten mal aufwache. 10 von 7 Uhr sitze ich daher schon auf dem Rad. Meine Taktik war gut, denn in den nächsten Kilometern gibt es keine Chance auf ein Zeltplätzchen mehr.

Schon bald gibt's die erste Umleitung, auch für Fahrradfahrer. Der Radweg wurde kurzerhand auf eine Wiese verlegt: eine Plastikfolie und darauf ein paar cm Sand. JEDER fährt daneben auf der Wiese! Östlich von Berlin würde es hügeligen hat Frank, ein VW-Kollege gemeint. Er scheint recht zu haben..aber bislang gut zu handhaben. Die Reifen sind hart aufgepumpt, der Asphalt glatt, da läuft das Radl auch bergauf ganz gut.

Aktuell befinde ich mich auf dem Hofjagdweg. Meist guter Untergrund, oft auf kleinen öffentlichen Straßen. Ein paar Graureiher in der Wiese nebenan laufen vor mir davon, sie erinnern mich an die Nandus in Südamerika. Ich radle durch lichte Höhe Kiefernwälder mit ein wenig Gras zwischen den duftenden Bäumen, herrliche Heidewiesen und dunkle Dichte Laubwälder. Ich kreuze eine sehr breite Sandtrasse - eine neue Autobahn? Nein, hier wurde eine Erdgasleitung verlegt, klärt mich ein Bauarbeiter auf, der gerade die Straße verbarrikadiert.
Im nächsten Ort ist es vorbei mit tollem Radweg: Teufel oder Belzebub? Grobes Pflaster oder tiefsandige Schlangenlinien um die Alleebäume?

In Halbe hab ich schon die halbe Strecke! Am Ortseingang lockt ein Bäcker mit Streuselkuchen. Den verspeise ich an der Bushaltestelle, dahinter im Edeka hole ich mir noch was gesünderes für später.
Freund Rolf aus Forst fragt, wie lange ich noch bräuchte? 3 Tage schätze ich. Ich soll schauen, dass ich schneller bin, denn für Donnerstag und Freitag sind schlimme Gewitter angesagt. Hm, kann man nichts machen. Oder? Vielleicht schaffe ich es ja bis morgen Abend?
Der Kuchen war wohl etwas viel - er zwickt im Bauch, soll aber eigentlich die Beine antreiben. Also, fest in die Pedale treten.

Ich verpasse Mal wieder eine Abzweigung und erwische dafür einen ausgeschilderten Radweg. Landschaftlich sicher sehr schön, aber ich bin froh, dass meine Dritten so gut festgeklebt sind. Der Weg endet. Keine Beschilderung mehr. Mein Navi kennt den Weg gar nicht. Es gibt aber nur eine Möglichkeit: eine neue Sandhölle! Gefühlte 30 km (echt ca. 2) lerne ich sogar bergauf driften. Meist muss ich schieben - die Sonne knallt vom Himmel. Ich bekomm bestimmt gleich einen Hitzschlag. Hinter der nächsten Kurve ist es sicher besser. Oder hinter der nächsten? Oder hinter dieser? Aber auch diese Qual ist mal zu Ende. Das ist wohl der Preis für die Supertour von heute morgen.

Auf guter Asphaltstraße strampeln ich im den Köthener See. Leider ist er nicht zu sehen, aber ich kann das Wasser riechen. 
Eine Bucht mit Wiese und Privatsteg! Benutzung auf eigene Gefahr? Na die nehme ich gern in Kauf! Eine längere Pause habe ich mir jetzt um 12 Uhr wohl verdient. Wenigstens die Füße dürfen etwas baden. Zwei Libellen jagen sich über die Seerosenblätter und im Schilf quaken die Frösche um die Wette.
Ein junges Päärchen will hinausrudern, bekommt das Boot aber lange nicht losgebunden. Als sie dann freudig in der Ferne entschwinden setzt sich ein älteres Radlerpäärchen zu mir und wir reden etwas "Pedal" oder wie man halt in Radlerkreisen so sagt.
Ein Weiher reiht sich nun an den nächsten, teilweise mit sehr niedrigem Wasserstand und teilweise sehr schlecht riechend. Dafür mit umso mehr Mücken.

Schlepzig...das Touristenzentrum für die Spree? Kahnfahrten, Kanus und Fahrräder zu vermieten, Biergärten ohne Corona-Abstand - hier ist die Hölle los. Scheint den lokalen Storch aber nicht zu stören.

Durch den "inneren Unterspreewald" geht's nach Lübben. Die Wege bieten alle Couleur: Asphalt, Schlaglöcher, guter Kies 30 cm Betonplatten Sand, Schmalspur. Es ist abewechslungsreich und anstrengend.

Lübben sollte heute etwa mein Tagesziel sein. Zum Glück erwische ich einen Asphaltweg dorthin - die Chancen standen 50/50. Bei der Einfahrt in den Ort verspüre ich vereinzelte Regentröpfchen. Eine schwarze Wolke nähert sich. Ein Straßencafé bietet das langersehnte Eis an. Vorsichtshalber suche ich mir schon einen großen Sonnenschirm aus, aber ich muss den Tisch zwei Mal nachrücken, dann stelle ich mich direkt auf den Ständer und werde trotzdem noch Naß. 10 min gießt es wie aus Kübeln, dann ist nach 10 weiteren Minuten alles wieder trocken.

17:30 Zelt steht, ich lieg - platt! Heut waren es 80 km! Ich hab ein Plätzchen auf dem Deich 100 m neben dem "Nordumfluter" gefunden. Der Radweg verläuft auf der anderen Seite, die Brücke ist gleich im die Ecke. An Wasser für die Wäsche komme ich heute nicht, aber wenn, dann würde es auch kaum besser riechen als meine Klamotten.
Es ist schwül und windig, dunkle Wolken brauen sich zusammen. Vielleicht kommt nochmal ne Dusche? Das Überzelt bereite ich soweit vor, dass ich die Schotten schnell dicht machen kann.
Mein geflickter Reifen hat gut gehalten - toi toi toi! Morgen geht's am "inneren Oberspreewald" entlang.









Die Strecke

Montag, 1. Juni 2020

Vom Mittelpunkt Bayerns zum Mittelpunkt Berlins

Um 4 Uhr morgens ist es bereits hell und die Tierwelt erwacht. Das ist ein Geschnatter, Gekreische, Gequake und Geschrei fast wie im Regenwald, auch wenn es hier keine Affen gibt. Bis um 7 bleib ich noch liegen, dann ist es Zeit für ein kurzes Morgenbad - brrrr. Mein Stromwerk hat seine Befestigung verloren, also muss Isolierband her. Hab zum Glück eine Rolle eingepackt. Um 8:30 sitze ich wieder im Sattel.
Ob ich ein gutes Rad habe? wurde ich gefragt. Also bis jetzt hat es seinen Dienst wunderbar versehen. Ich sollte der Kette vielleicht mehr Aufmerksamkeit gönnen, aber bislang hat sie mir noch nichts krumm genommen.
Kerzengerade führt ein meist gut asphaltierter Radweg neben der Straße Richtung Berlin. Im Schatten ist es noch ein wenig frisch, aber in der Sonne sehr angenehm. An der Straße warten Spargel- und Erdbeerverkäufer auf : Kundschaft - gute Idee: ein Körbchen frische Erdbeeren für meine Gastgeber, in der Hoffnung, dass sie bis Berlin nicht vermatscht sind.

Zum zweiten Frühstück kehre ich bei Peter und seiner Frau ein, Bekannten aus meiner Posaunenchor-Tätigkeit. Wir tauschen fröhliche Geschichten aus, dann breche ich wieder auf. Alexanderplatz? Was ist daran besonders? Aber vielleicht bin ich ja Banause. Viel Polizei. Ich komme an einem Stückchen alter Mauer vorbei und fotografiere. Ein freundlicher Taxifahrer hilft mir dabei und erklärt, dass ich hier genauen im Mittelpunkt Alt- Berlins bin! Und ich komme ja vom Mittelpunkt Bayerns - lustig. Ich bin kein großer Städteanschauer, genieße nur, was mir über den Weg läuft. Z.B. bemalte Hauswände oder die Wurstbude in einer Lücke der Mauer. Currywurscht mit Pommes natürlich!

Raus aus Berlin. Das zieht sich! Fast überall sind Radwege aber auch Ampeln. Selbst als Fahrradfahrer muss ich hier häufig anhalten. Die Wegequalität läßt langsam wieder nach, ein ständiges Auf und Ab durch Einfahrten, Schlaglöcher und Baumwurzeln, ist ja nichts Neues. Ich hatte Mal Fahrräder kennen gelernt, die durch Auf- und Abbewegung des Sattels bei fixen Pedalen funktioniert haben. Die müßten doch hier wie ein Perpetuum mobile funktionieren?

In Eichenwalde hab ich meine Pflichtkilometer erreicht. In der nächsten Stunde hoffe ich auf ein nettes Schlafplätzchen. Irgendwas scheint sich im Rad verfangen zu haben, es scheuert so seltsam. Anhalten, schauen, nichts zu sehen.. aber zu hören! Oder doch nicht? Es gibt so viele Nebengeräusche. Schnell die nächste Tankstelle googeln, aber schon nach wenigen Metern ist Schluss. Platt!! Oh je, das ist nicht einkalkuliert. Abpacken, Rad auf den Kopfstellen, Hinterrad raus, keine Rücksicht auf Schmutz. Eine Mischung aus klebrigem Asphalt und scharfen Steinchen klebt im Profil, dort finde ich auch das Loch im Schlauch.
Flickzeug hab ich dabei. Eine noch verschlossene große Tube Kleber, die nach dem Öffnen erstmal nur Luft von sich gibt. Bis sie fast leer ist. Sch...! Dann kommt doch noch ein Batzen zähe Masse...ob das funktioniert? Ich frage ein vorbeikommendes Päärchen, wo die nächste Tanke ist, wegen Luft. Nach kurzem Ratschlag meinen sie, etwa 3 km in eine andere Richtung. Das Herz rutscht mir in die Hose, ich habe zwar eine Luftpumpe dabei, aber genug Druck bekomme ich damit nicht auf den Reifen. Das Päärchen wohnt in der Nähe und hat zu Hause einen kleinen transportablen Kompressor, den würden sie holen, wenn ich warte. Wow, welche Freundlichkeit! Ich traue meinem Flickwerk nicht recht und schmiere noch etwas Kleber um den Flickenrand. Dann bekommt der Mantel innen noch ein Stück Klebeband, weil die Karkasse eingerissen ist. Und schon ist der Kompressor da! Ruckzuck ist der Reifen prall - herzlichen Dank und tschüss! Zusammenpacken und dann trotzdem zur Tanke fahren zum Luft kontrollieren. Als ich in die Tanke einrollen ist tatsächlich wieder platt. Flickzeug haben sie leider nicht zu verkaufen. Also nochmal von vorn; und das letzte bisschen Kleber vorsichtig verstreichen. Sorgsam andrücken und im Scheibenwascheimer prüfen - sieht gut aus. Drückt die Daumen. Zusammenbauen, Luft reinhauen, Hände waschen und hoffen. Der Fahrradladen in der Nähe, der einen Ersatzteilautomaten haben soll, wird grad umgebaut - kein Automat. Ich bete, dass meine zweite Reparatur hält - ich mach fast immer alles 2 mal.

17:30 Schluss für heute, habe die Faxen dicke. Die kommenden paar km versprechen kaum ein brauchbares Zeltplätzchen, also versuche ich mal, ob man mich hier nicht vertreibt. Überall sind die Ufer zu den Seen oder Flüssen zugebaut, nur hier zwischen Schmöckwitz und Zeuthen ist eine kleine Wiese mit Bootsanleger Steg. Park wäre heftig übertrieben, aber es gibt immerhin EINE Bank. Ich bin gespannt, wie ich die Nacht verbringen werde.
Ein Storch fliegt vorbei, ganz tief. Als er das Wasser streift gibt er nochmal Gas, damit er auch über die Boote hinweg kommt. Entweder ist er jung und lernt gerade erst fliegen, oder er ist flügellahm.








Teil 1
Teil 2

Sonntag, 31. Mai 2020

Kirschsonntag

Es gibt hier anscheinend kein Internet in Himmelpfort. So kann ich auch leider den Blog nicht online stellen. Und vor Kälte schlotter ich auch, also krabbel ich früh in den warmen Schlafsack.
Um 8 Uhr wache ich auf, auf dem Platz ist es noch ruhig. Erst als ich gegen 9 aufbruchfertig bin, regt sich bei den Kindern was. Das Päärchen aus dem anderen WoMo sitzt kaffeetrinkend auf einem Uferbänkchen. Ich entschließe mich, trotz lausiger 12 Grad, zum radeln doch lieber nur den Pullover statt der Daunenjacke anzuziehen und recht bald wird mir auch warm.
Der ausgeschilderten Radweg macht einen kleinen Umweg, dafür ist er gut asphaltiert und führt mit wenig Berg- und Talfahrt durch den Wald. "Der rechte Weg ist nie gerade."
An einer Bushaltestelle neben der vielbefahrenen Hauptstraße gibt es jetzt eine Kirschtasche als Radlersprit. Ich bin froh, dass der Radweg hier von der Straße abzweigt.
Wir fahren entlang mehrerer Seen, wo an jeder Bucht mindestens 1 Auto oder WoMo steht. Die Bauern wenden das Heu, ab und zu Ernte ich eine Prise Pferdeduft.

In Marienthal verpasse ich mal wieder eine Abzweigung, was mich zu einer Wirtschaft führt. Der vielversprechende Eis-Hinweis wird leider nicht erfüllt, das Eis ist noch nicht fertig. Aber Kirsch-Stratiatella-Torte und Kirschsaft haben sie, auch gut.
Auf dem Rückweg zur Abzweigung werde ich von 3 flotten Päärchen Rennradfahrer überholt. Kurz darauf hat jemand was verloren und hält die ganze Gruppe auf. Im Vorbeifahren kann ich mir die freche Bemerkung "langsam kommt man auch voran" nicht verkneifen. Etwas später tippe ich die langen Hosenbeine weg, da flitzen sie grinsend vorbei. Keine Minute später sind sie schon wieder da - Abzweigung verpaßt. Ja, sie wollen auch nach Berlin (heute) und fahren mit dem Zug wieder heim. Jetzt sehen wir uns sicher nicht mehr. Schöne Pfingsten! Weg sind sie...

Ich komme an einem alten Ziegeleigelände vorbei. Scheint eine Art Heimatmuseum zu sein, auf jeden Fall viel Trubel. Eine alte Dampflok steht dekorativ da, kurz dahinter ist der Hafen. Sehr interessante Hausboote gibt es da, eine Art Fähre, auf der ein Wohnwagen geparkt ist. Der Weg entlang der Wasserlandschaft ist genussvoll. Teilweise gut asphaltiert, teilweise sandig aber mit festem Untergrund. An der nächsten Radwegkreuzung berät eine Großfamilie über den weiteren Verlauf ihrer Tour. Sie habe ihre Räder so toll platziert, dass kein Durchkommen ist; auf diese Weise können sie mich ausquetschen, ob man hier zur Ziegelei kommt.
Nun radeln ich auf gutem Weg neben den Eisenbahnschienen her. Viele Radfahrer aber auch Spaziergänger sind unterwegs. Neben mir taucht die "Heidekrautbahn" auf und stößt direkt einen gellenden Pfiff aus. Aua!
Zehdendik - an einer Kreuzung mache ich ein Foto von einer sehr interessant bemalten Fassade. Wer radelt vorbei? Meine 6 Rennradfreunde! Ich hatte die Abkürzung genommen, ha ha ha.

Toller Radweg, herrliche Heide und Wiesen und Rückenwind! Ein Geschenk! Aber nichts ist umsonst - Achtung: jetzt kommt wieder eine Susi-Spezial-Einlage! Ich habe keine Ahnung, wie das Navi auf die Idee kommt, das nun Folgende wäre ein Radweg! Ich habe gesagt, ich fahre Tourenrad, nicht Mountainbike oder ich würde wandern. Es beginnt mit sehr hoppeliges Asphalt und wandelt sich in dem nicht auf der Karte verzeichneten Ort in eine sandige grobschottrige Straße. Sandspiele die Zweite. Viel schieben. Dann kommt ein langer Abschnitt mit schlaglochübersääten Fahrspuren, das schmale Bankett tiefsandig und die Straßenmitte Waschbrett - ich habe die Wahl! Endlich hat das Elend ein Ende - ich lande auf einem "schönen" sandigen Wanderweg durch den Kiefernwald. Da gibt's jetzt nur Eines: Augen zu...ne auf, und durch! Kleiner Gang und Lenker gut festhalten, tapfer treten. Bin ich überhaupt noch richtig? Ja, denn hier stoße ich auf einen herrlich asphaltierten Radweg entlang des Voßkanals. Auch von Zehdendik kommend, wie ich. Dumm gelaufen - Pech gehabt.
Dafur werde ich jetzt belohnt. Entlang des viel befahrenen Voßkanals läuft das Radl mit Rückenwind fast von selbst. Voraus schippert eine kleine Yacht, aber die ist sogar langsamer als ich. Und dann kommen im Gänsemarsch 7 Boote entgegen! Da muss ein Nest sein. Oder eine Schleuse. So ist es. Ich beobachte, wie sich die nächsten 3 Boote abwärts Liften lassen. Eine angenehme Pause.
Ein Stück Hauptstraße folgt, nur scheinen die Leute jetzt am Kaffeetisch oder Grillfeuer zu sitzen. Gut so. Nur als ich links abbiegen muss herrscht reger Gegenverkehr und es hupt mich sogar einer an, weil ich mitten auf der Straße warte.

Stolzenhagen - mein Tagesziel. Gut 60 km gefahren, noch ca. 30 km bis Berlin, d.h. morgen Abend bin ich hinter Berlin. Hier gibt es Seen, an denen ich mir ein Plätzchen für die Nacht suchen will. Aber natürlich ist alles verbaut oder versperrt. Es gibt ein eine einzige zugängliche kleine Bucht aber da sammelt sich anscheinend das ganze Dorf. Das ist nichts.

Gegen 5 Uhr bin ich endlich zufrieden mit dem Platz. Die "Straße" Richtung See war ein breiter Schlagloch-Sandweg, der schwarze Strich auf der Karte ein Trampelpfad. Am Wasser angekommen geht nach rechts noch ein kurzes Stück, nach links ein längerer Weg, von dem mir ein Schubkarre schiebender Herr abrät: das ist nur noch Sumpf. Bis hierher hatten Sie ja noch Autobahn!
Also schaue ich nach rechts und finde nach ein paar Metern eine winzige Bucht mit 2 verrammelten Badestegen. Zwischendrin ist ein kleiner Einstieg in den sandigen, schilfigen See. Notfalls finde ich auch ein Plätzchen fürs Zelt. Zuerst ist Wassertest angesagt - zumindest bis zum Bauchnabel. Das Wasser ist doch recht frisch...oder die Sonne zu heiß. Im Haus nebenan, Verzeihung...Steg nebenan relaxt ein Päärchen mittleren Alters.
Nach der Erfrischung gibt's Essen. Auf dem Steg breite ich meine Isomatte aus, nehme Essen, Trinke und Handy in den Arm und platziere alles auf der Matte. Was passiert? Natürlich! Das Handy rutscht ins Wasser. Sch....ist ja nicht das erste Handy, das ich Baden schicke! Aber das erste, das überlebt! Ich habe ihm nämlich eine wasserdichte Hülle spendiert und glücklicherweise sogar den Stopfen fürs Ladekabel verschlossen! Puh!
In der sengenden Sonne sitzend, Füße im Wasser baumelnd genieße ich meinen Schmauß.
Ein frischgebackener Standup-Paddler eiert vorbei....











Teil1
Teil 2