Es hat mich niemand verscheucht. Damit das auch so bleibt packe ich gleich alles zusammen, als ich zum ersten mal aufwache. 10 von 7 Uhr sitze ich daher schon auf dem Rad. Meine Taktik war gut, denn in den nächsten Kilometern gibt es keine Chance auf ein Zeltplätzchen mehr.
Schon bald gibt's die erste Umleitung, auch für Fahrradfahrer. Der Radweg wurde kurzerhand auf eine Wiese verlegt: eine Plastikfolie und darauf ein paar cm Sand. JEDER fährt daneben auf der Wiese! Östlich von Berlin würde es hügeligen hat Frank, ein VW-Kollege gemeint. Er scheint recht zu haben..aber bislang gut zu handhaben. Die Reifen sind hart aufgepumpt, der Asphalt glatt, da läuft das Radl auch bergauf ganz gut.
Aktuell befinde ich mich auf dem Hofjagdweg. Meist guter Untergrund, oft auf kleinen öffentlichen Straßen. Ein paar Graureiher in der Wiese nebenan laufen vor mir davon, sie erinnern mich an die Nandus in Südamerika. Ich radle durch lichte Höhe Kiefernwälder mit ein wenig Gras zwischen den duftenden Bäumen, herrliche Heidewiesen und dunkle Dichte Laubwälder. Ich kreuze eine sehr breite Sandtrasse - eine neue Autobahn? Nein, hier wurde eine Erdgasleitung verlegt, klärt mich ein Bauarbeiter auf, der gerade die Straße verbarrikadiert.
Im nächsten Ort ist es vorbei mit tollem Radweg: Teufel oder Belzebub? Grobes Pflaster oder tiefsandige Schlangenlinien um die Alleebäume?
In Halbe hab ich schon die halbe Strecke! Am Ortseingang lockt ein Bäcker mit Streuselkuchen. Den verspeise ich an der Bushaltestelle, dahinter im Edeka hole ich mir noch was gesünderes für später.
Freund Rolf aus Forst fragt, wie lange ich noch bräuchte? 3 Tage schätze ich. Ich soll schauen, dass ich schneller bin, denn für Donnerstag und Freitag sind schlimme Gewitter angesagt. Hm, kann man nichts machen. Oder? Vielleicht schaffe ich es ja bis morgen Abend?
Der Kuchen war wohl etwas viel - er zwickt im Bauch, soll aber eigentlich die Beine antreiben. Also, fest in die Pedale treten.
Ich verpasse Mal wieder eine Abzweigung und erwische dafür einen ausgeschilderten Radweg. Landschaftlich sicher sehr schön, aber ich bin froh, dass meine Dritten so gut festgeklebt sind. Der Weg endet. Keine Beschilderung mehr. Mein Navi kennt den Weg gar nicht. Es gibt aber nur eine Möglichkeit: eine neue Sandhölle! Gefühlte 30 km (echt ca. 2) lerne ich sogar bergauf driften. Meist muss ich schieben - die Sonne knallt vom Himmel. Ich bekomm bestimmt gleich einen Hitzschlag. Hinter der nächsten Kurve ist es sicher besser. Oder hinter der nächsten? Oder hinter dieser? Aber auch diese Qual ist mal zu Ende. Das ist wohl der Preis für die Supertour von heute morgen.
Auf guter Asphaltstraße strampeln ich im den Köthener See. Leider ist er nicht zu sehen, aber ich kann das Wasser riechen.
Eine Bucht mit Wiese und Privatsteg! Benutzung auf eigene Gefahr? Na die nehme ich gern in Kauf! Eine längere Pause habe ich mir jetzt um 12 Uhr wohl verdient. Wenigstens die Füße dürfen etwas baden. Zwei Libellen jagen sich über die Seerosenblätter und im Schilf quaken die Frösche um die Wette.
Ein junges Päärchen will hinausrudern, bekommt das Boot aber lange nicht losgebunden. Als sie dann freudig in der Ferne entschwinden setzt sich ein älteres Radlerpäärchen zu mir und wir reden etwas "Pedal" oder wie man halt in Radlerkreisen so sagt.
Ein Weiher reiht sich nun an den nächsten, teilweise mit sehr niedrigem Wasserstand und teilweise sehr schlecht riechend. Dafür mit umso mehr Mücken.
Schlepzig...das Touristenzentrum für die Spree? Kahnfahrten, Kanus und Fahrräder zu vermieten, Biergärten ohne Corona-Abstand - hier ist die Hölle los. Scheint den lokalen Storch aber nicht zu stören.
Durch den "inneren Unterspreewald" geht's nach Lübben. Die Wege bieten alle Couleur: Asphalt, Schlaglöcher, guter Kies 30 cm Betonplatten Sand, Schmalspur. Es ist abewechslungsreich und anstrengend.
Lübben sollte heute etwa mein Tagesziel sein. Zum Glück erwische ich einen Asphaltweg dorthin - die Chancen standen 50/50. Bei der Einfahrt in den Ort verspüre ich vereinzelte Regentröpfchen. Eine schwarze Wolke nähert sich. Ein Straßencafé bietet das langersehnte Eis an. Vorsichtshalber suche ich mir schon einen großen Sonnenschirm aus, aber ich muss den Tisch zwei Mal nachrücken, dann stelle ich mich direkt auf den Ständer und werde trotzdem noch Naß. 10 min gießt es wie aus Kübeln, dann ist nach 10 weiteren Minuten alles wieder trocken.
17:30 Zelt steht, ich lieg - platt! Heut waren es 80 km! Ich hab ein Plätzchen auf dem Deich 100 m neben dem "Nordumfluter" gefunden. Der Radweg verläuft auf der anderen Seite, die Brücke ist gleich im die Ecke. An Wasser für die Wäsche komme ich heute nicht, aber wenn, dann würde es auch kaum besser riechen als meine Klamotten.
Es ist schwül und windig, dunkle Wolken brauen sich zusammen. Vielleicht kommt nochmal ne Dusche? Das Überzelt bereite ich soweit vor, dass ich die Schotten schnell dicht machen kann.
Mein geflickter Reifen hat gut gehalten - toi toi toi! Morgen geht's am "inneren Oberspreewald" entlang.
Die Strecke
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