Ich habe in meinem Zelt mal wieder super gut geschlafen! Um 6 Uhr werde ich wach, möchte aber gar nicht aus dem kuscheligen Schlafsack raus. Aber, muss ja sein. Heute vergesse ich meine Morgengymnastik nicht! Einer der Schrebergartenbesitzer bringt seinen Rasenmäher vorbei, wir wechseln ein paar Worte. Er ist Jäger. Beim wegfahren fährt er einen Straßenpfosten voll um, merkt es aber nicht. Ich Stelle den Plastikpfosten wieder auf. Er ist am Fuß nur mit einem abgewinkelten T-Profil im Boden eingegraben und hat dann eine große Fläche Gummiabdeckung. In dem Sandboden hier findet nichts Halt. Wo der Boden nicht bewachsen ist, versinke ich sofort knöcheltief im Sand.
Bei frischen 15 Grad um kurz vor 9 ziehe ich lange Hosen und Pullover gerne an. Die Strecke beginnt heute auf einer gut befahrenen, grob asphaltierten Straße ohne Radweg. Das ist Omen, denn von der Sorte sind heute die meisten Streckenstücke. Nur selten gibt es einen Radweg neben der Straße.
Mein Tacho hat immer häufiger Ausfallerscheinungen, daher spendiere ich auch dem Sensor eine neue Batterie...scheint aber leider keinen Unterschied zu machen.
Oh, jetzt war ich wohl zu schnell? Hab eine Abzweigung verpasst, ergibt aber keinen großen Umweg. Dafür komme ich durch Breddin, ein unendlich langes Dorf. Das Dorf der Bauern und Handwerker, wie sie sich nennen. Mein liebstes Handwerk, eine Bäckerei, ist auch vertreten. Eine ganz nette junge, leicht rundliche Bäckereifachverkäuferin bedient mich - mein Lieblingsgebäck "weiße Amerikaner" - und läßt mich auch meine Wasserflaschen füllen. Oh, ich hab ganz den Mundschutz vergessen? Egal, hier auf dem Dorf nimmt man das nicht so genau.
Kurz darauf lasse ich auch die Hosenbeine fallen, es wird wärmer. Mein Knie sagt ab und zu "hallo" zu mir, dann arbeitet es brav weiter. Die Knie bekommen zwar täglich eine Salben-Sonderbehandling, aber Dope haben sie seit gestern schon nicht mehr bekommen. Wow! Ganz anders mein Sitzfleisch: das findet mittlerweile gar keine erträgliche Position mehr. Ich rutsche ständig hin und her, aber das hilft alles nichts. Zähne zusammenbeißen!
Auch die Hände schlafen immer Mal wieder ein, aber dagegen kenne ich Übungen, die ich künftig machen sollte.
Heute gibt es immer Mal wieder lange sanfte Steigungen. Manche sind kaum merklich, andere schaffe ich mit meiner gesteigerten Kondition jetzt schon, aber ich liebe auch mein Rad und schiebe mal.
An einem kleinen Springbrunnen mache ich Waschzeit mit Pause und schaue mir die weitere Route an. Ich möchte auf der Müritz ein Stück mit dem Boot fahren. Aber von dort, wo ich bin wollte, finde ich keines. Ich versuche vergeblich, eine Schifffahrtgesellschaft anzurufen, deren Fahrplan im Internet leider nicht aufrufbar ist. Als ich wieder aufbrechen will, werde ich zurückgerufen - das hätte ich nicht erwartet! Ich erfahre die Strecke und Abfahrtszeit und Pläne dann meine Tour etwas um. Statt Rechlin wird Röblitz jetzt mein Ziel.
Wegbeschaffenheiten?
Ich weiß nicht, wie man es schafft, 1,5 bis 2 m lange, plane Betonplatten auf ebenem Untergrund so zu verlegen, dass an den Stößen prinzipiell ein Absatz von mehreren cm entsteht.
Versöhnlich ist dagegen die sogenannte Fahrradstraße. 1,5 Autofahrspuren breit und feinstes asphaltiert zieht sie sich durch herrliche, duftende Kiefern- und Eichenhaine. Hier im Wald ist es kühl aber dafür windstill - auf freiem Land kommt er gefühlt immer von vorn. Rechts von mir, hinterm Damm, müßte ein großer See sein. Auf dem Damm sind Straßenpfosten sichtbar, also schaue ich wie ich da hin käme. Ein Herr auf dem E-Bike ruft im Vorbeifahren: "hier geht's nich lang. Allet verriegelt und verrammelt!" Was auch ein hoher Zaun beweist.
An der Auffahrt zu einer Brücke über die Autobahn springt mal wieder die Kette runter...nicht so schön, wenn man am Berg noch Schwung ausnützen will.
Nächste Ortschaft "Königsberg"! Kein Berg zu sehen. Auch kein König.
Wittstock ist eigentlich mein Tagesziel. In den vergangenen Stunden kam mir die Idee, doch mal wieder ein Zimmer zu nehmen. Eine Dusche wäre gut und mein geruchsfreies T-Shirt hält seine Versprechung auch nicht. So verbringe ich die nächste Pause mit Unterkunft suchen. In Wittstock scheint es kaum Übernachtungsmöglichkeiten zu geben! Über 50 € kommt nicht in die Tüte, die 3 darunter sind heute schon ausgebucht. In 18 km Entfernung finde ich etwas Passables und sage zu. Also nochmal ein Stück quälen...
Der Radweg führt außen um die Stadtmauer herum durch einen hübschen Park. Am Ortsausgang gibt's noch einen Aldi zum Auffüllen meiner Vorräte. Als ich an der Kasse meine Einkäufe einpacken, fällt vor der Kasse die Plexiglasscheibe herunter und trifft mich am Arm. "Wenn Sie einen Wagen genommen hätten, wär das nicht passiert" ist der Kommentar der Verkäuferin. ??? Corona-Logik! TS TS TS...
Um 17 Uhr bin ich nach 75 km an der Pension "Meine kleine Auszeit" angekommen. Sie ist verlassen, vermutlich werde ich der einzige Gast sein. Wir telefonieren uns zusammen und dann nehme ich im Garten in der Sonne Platz und warte.
Nach einiger Zeit kommt ein junger Asiate im Audi vorgefahren. Seine Kleidung sieht schon nach Hotelier aus. Ich bin tatsächlich der einzige Gast, normalerweise wird nur am Wochenende vermietet. Die Besitzer wohnen eigentlich in Berlin. Der junge Mann arbeitet hauptberuflich in einem nahegelegenen Hotel als "Hausdame", hat viel Erfahrung auf Kreuzfahrtschiffen und baut sich nebenher diese Pension auf. Fleißig! Ich bekomme ein helles freundliches Zimmer zum Garten, direkt neben der Küche, die ich gerne benutzen darf. Er wird mir morgen kein Frühstück machen können...aber damit habe ich sowieso nicht gerechnet, bei 35 € Zimmerpreis. Für das Geld bekomme ich ohnehin mehr, als im Hotel in Merseburg: sehr nett eingerichtet (warm Wasser wird extra für mich angestellt), eine Flasche Sprudel im Zimmer und sogar ein Betthupferle - wie in teuren Hotels!
Erst die Wäsche, die viel graues Wasser erzeugt. Hoffentlich wird sie bis morgen trocken... Dann bin ich selbst dran - ah, ist das eine Wohltat! Social distancing muss morgen nicht sein, sogar das "geruchsfreie" Shirt duftet wieder anders.
Strecke
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